Wenn man regelmäßig auf der Bühne steht, kann das eine harte Schule sein. Wirklich „spannend“ wurde es immer, wenn ich während des Präsentierens merkte, dass mir der Vortrag entglitt und ich die Kontrolle verlor. Fruchtbares Gefühl. Dieses Gefühl kann durch die unterschiedlichsten Ursachen ausgelöst werden. Schlimmstenfalls erreicht man schließlich das Stadium, das ich als „Teufelskreis des schlechten Vortrags“ bezeichne. In diesem Fall ist man durch die empfundene Situation so weich gekocht, dass man während des Sprechens nur noch darüber nachdenkt, wie schrecklich gerade alles ist, dass man nicht gut präsentiert, dass man sein Publikum verloren hat, dass die „Q&A-Session“ im Anschluss an den Vortrag mein Todesstoß sein wird. Je nach Gemüt lassen sich diese Gedanken ganz sicher noch weiter ausbauen in: „Das war’s mit meine Karriere“ oder „Zum Glück hat man das Bewerfen mit faulen Eiern und altem Obst bei schlechten Vorträgen mittlerweile abgeschafft“. Ich denke, du verstehst was ich meine…

Für genau diese Situation habe ich dir meine drei Grundpfeiler mitgebracht, die mir helfen, mit solchen Situationen umzugehen.

 

  1. Verwechsle nicht dein Selbstbild mit dem Fremdbild des Publikums

Diese Regel gilt auch vice versa, aber über „Arroganz im Vortrag“ gehe ich in einem meiner zukünftigen Blogs ein. Jetzt geht es mir vor allem darum, dass man sich folgendes bewusst machen muss: das Gefühl eines eingeschüchterten Speakers auf der Bühne, der gerade davon ausgeht, dass alle Felle wegschwimmen, hat NICHTS mit der Wahrnehmung des Publikums zu tun. Auch wenn du selbst den Eindruck hast, dass du gerade den schrecklichsten Vortrag deines Lebens hältst, muss das noch lange nicht der Eindruck deines Publikums sein. Im Gegenteil. Die Tatsache, dass du auf der Bühne stehst und jeder berechtigt davon ausgeht, dass du dich vorbereitet hast oder vielleicht auch als Spezialist deines Fachs giltst, kann eine enorme Divergenz zwischen deinem eigenen Eindruck und dem des Publikums begründen. Wenn du dir das während deiner Rede immer wieder bewusst machst, kann das enorm beruhigend sein. Um dies zukünftig besser und besser einschätzen zu können, ist es enorm wichtig, dass du dir nach dem Vortrag sachliches Feedback einholst, es bewertest und mit deinem eigenen Gefühl vergleichst, und für die zukünftigen Vorträge verwendest.

 

  1. Das Schiff geht erst unter, wenn der Kapitän es sagt

Alle Mann bleiben auch bei stürmischer See an Bord und machen ihre Arbeit nach Protokoll solang der Kapitän nichts anderes von sich gibt. Und das ist auch gut so. Das Publikum ist in diesem Bild die Mannschaft und du bist der Kapitän. Das Publikum wird also dieser Regel entsprechend im Saal sitzen und weitestgehend positiv gestimmt lauschen, solang du als vortragende Person auf der Bühne stehst und Kurs hältst. Damit ist alles gut. Allerdings wird dieser (gute) Vortrag genau in einem Moment zu einem schlechten Vortrag und das Schiff geht unter: nämlich wenn du auf der Bühne stehst und genau das sagst! Speaker, die ihren Vortrag mit Phrasen wie: „oh, jetzt habe ich mir schon wieder versprochen“, „jetzt habe ich meinen roten Faden verloren“, „Entschuldigung, aber ich bin heute einfach nicht gut drauf…“ sagen als Kapitän übersetzt so etwas wie: „das Schiff sinkt, alle Mann von Bord“.

Egal was also passiert, und wenn die Decke des Vortragssaals einstürzt, du wirst den Job mit Anstand und Würde zu Ende bringen und niemanden mit der Nase darauf stoßen, dass du aus deiner Sicht gerade einen schlechten Vortrag hältst. Keinesfalls gibst du auf. Keinesfalls unterbrichst du deine Session. Keinesfalls ist die vorzeitige Beendigung deines Vortrags eine Option. Dieses Schiff wird nicht sinken! Dein Publikum wird es dir hoch anrechnen, wenn du in jedem Fall die Ruhe bewahrst und weiter machst, denn dieses Vorgehen nennt man Professionalität und Professionalität ist nun einmal angesehen.

 

  1. Plane deine persönliche Exit-Strategie

Im Rahmen der Vortragsvorbereitung kann es ausgesprochen sinnvoll sein, sich eine Exit-Strategie zurecht zu legen. Hiermit meine ich einen Plan, der dann zum Tragen kommt, wenn der beschriebene „Teufelskreis des schlechten Vortrags“ droht. Hier ist es ausgesprochen empfehlenswert während des Vortrags etwas zu tun, was einem selbst Spaß macht und dadurch neue Sicherheit gewinnen lässt.

  • Gibt es eine humorvolle oder ergreifende Geschichte, die spannend und thematisch passend ist? Geschichten, die thematisch passen, können den Vortrag nicht nur beleben und Inhalte veranschaulichen, sondern dir gleichzeitig dabei helfen, wieder in einen normalen Redefluss ohne verunsicherte „äähhmms“ und peinliche Pausen zu kommen.
  • Ist es in Abhängigkeit des Themas und des Publikums passend, einen vorbereiteten Scherz einzubauen? Nicht selten kann ein gut vorbereiteter Scherz, der inhaltlich gut passt und das Publikum aufweckt nicht nur grundsätzlich dabei helfen, die Atmosphäre ein wenig aufzulockern. Vielmehr hilft es Vortragenden auch, den Weg zurück in den Vortrag zu finden, weil die inhaltliche Pause und das „Abspulen“ des vorbereiteten Scherzes wieder zu neuem Selbstbewusstsein führt.
  • Macht es Sinn, in eine kurze Fragerunde einzusteigen und interaktiv in das Publikum zu gehen und es partizipieren zu lassen, sodass du von deiner eigenen (gefühlten) Unsicherheit ablenken kannst? Wenn ja, dann ist dieser Punkt mein Geheimtipp. Man muss schon ein wenig abgebrüht sein, um Punkt C zu wählen, aber hey, du bist Profi! Die wahre Kunst ist es hierbei, sich die Inhalte vom Publikum präsentieren zu lassen und für eine kurze Zeit in die Moderation zu gehen. Dadurch gibt sich der Vortragende nicht nur kurz eine inhaltliche Pause, sondern belebt auch seinen Vortrag und das Publikum durch einen interaktiven Aspekt, der die Situation auflockert und bestenfalls sogar zu guter Stimmung führt.

Egal, für welche Exit-Strategie du dich entscheidest, wird sie Zeit kosten. Wenn du also diese Reißleine ziehen musstest, dann mache dir für die nachfolgenden Inhalte klar, dass du ein wenig im Verzug bist und für einen pünktlichen Abschluss auf dein Zeitmanagement achten musst ohne zu hetzen. Aber eines ist klar: besser 2 Minuten überzogen als 20 Minuten den Faden verloren!

 

Fazit:

Ein entgleitender Vortrag kann schon eine gemeine Charakterschule sein. Wenn das Gefühl aufkommt, dass während des Vortrags gar nichts mehr geht und der berühmte Teufelskreis des schlechten Vortrags droht, verfolge ich stets drei Punkte:

Ich mache mir klar, dass mein Selbstbild nicht zwingend dem Bild meines Publikums entspricht. Ich mache mir klar, dass ich als Vortragender der Kapitän des Schiffes bin und niemals, niemals, niemals sagen werde, dass wir sinken (denn es geht hier nicht um Leben und Tod). Und schließlich lege ich mir im Vorhinein eine Exit-Strategie zurecht, die ich als Reißleine ziehen kann, um dem Publikum und mir eine kleine Pause zu gönnen und gleichzeitig noch während des Vortrags zu neuem Selbstbewusstsein zu finden, um die Präsentation im weiteren Verlauf professionell zum Abschluss zu bringen. Diesbezüglich bevorzuge ich die aktive Einbindung des Publikums durch eine kurze Fragerunde und manchmal auch durch eine spontane „TED-Befragung“ mittels Handzeichen, wenn ich keine passende und vor allem humorvolle Geschichte zur Hand habe, die genau zu diesem Thema passt.

Vielleicht hast du andere Grundregeln, um mit diesem Gefühl eines entgleitenden Vortags umzugehen, während du noch auf der Bühne stehst? Oder du hast Fragen, Kommentare oder Anregungen zu diesem Blog? Dann freue ich mich über deinen Kontakt über die Sozialen Medien deine Mail.

Bis dahin,

Sebastian.