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SARS-CoV2 ist ein Virus, das ein schweres akutes respiratorisches Syndrom (sog. ARDS) verursachen kann und mit hohen Mortalitätsraten vergesellschaftet ist. Die besonders hohe Ansteckungsfähigkeit des Virus hat zusammen mit hohen Sterblichkeitsraten weltweit eine große Besorgnis ausgelöst. Besonders ältere Patienten mit Vorerkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck sowie Lungen-, Herz- und Nierenerkrankungen wurden mit hohen Sterblichkeitsraten in Verbindung gebracht.

Die erhöhte Mortalität und Morbidität von COVID-19 bei Patienten mit vorgenanntem Bluthochdruck wurde in ersten epidemiologischen Studien frühzeitig beobachtet. (2, 3)

Allerdings wurde keine dieser Studien statistisch um störende Einflussfaktoren bereinig und daher bleibt aktuell tatsächlich unklar, ob der Zusammenhang erhöhter Sterblichkeitsraten tatsächlich mit der Pathogenese des Bluthochdrucks, einer anderen Vorerkrankung oder mit der medikamentösen Behandlung zusammenhängt.

Dennoch bestand wachsende Besorgnis, dass der Zusammenhang zwischen den Sterblichkeitsraten weniger mit dem Bluthochdruck als mit der Behandlung mit spezifischen blutdrucksenkende Medikamenten, Angiotensin-konvertierende Enzyminhibitoren (ACE-Hemmer) und Angiotensin-Rezeptorblocker (AT-Blocker) in Verbindung steht.

Es hat sich gezeigt, dass ACE 2 als Co-Rezeptor für das virale Eindringen von SARS-CoV-2 ist, und es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass es eine Rolle in der Pathogenese von COVID-19 spielt. Der theoretische Zusammenhang mit ACE-Hemmern und AT-Blockern ist also auf die bekannte Assoziation zwischen dem Angiotensin-Converting-Enzyme 2 (ACE2) und dem SARS-CoV-2 selbst zurückzuführen.

Darüber hinaus besteht die Sorge, dass die Verwendung von ACE-Hemmern und AT-Blockern die Expression von ACE 2 erhöht und somit die Anfälligkeit der Patienten für den Eintritt und die Vermehrung von viralen Wirtszellen erhöht.

Andererseits gibt es derzeit auch Hinweise im theoretischen Model und ersten Studien, die einen Nutzen durch die Einnahme von ACE-Hemmern und AT-Blockern erklären würden. Durch diese Situation ist es zu einer Unsicherheit in der Blutdrucktherapie von COVID-19 Patienten gekommen, die allerdings weniger auf tatsächlicher Evidenz als auf widersprüchlichen Hinweisen erster Untersuchungsergebnisse beruhen.

Und so wundert es nicht, dass aktuell eine aktive Umstellung der eventuell vorbestehenden antihypertensiven Therapie aus meiner Sicht genauso wenig empfohlen werden kann wie der Beginn einer Behandlung mit ACE-Hemmern oder AT-Blockern. Die symptomatische Behandlung nach derzeit evidenten Konzepten bleiben sowohl auf der Intensivstation als auch außerhalb der Intensivmedizin sicherlich aktuell eine besonnene Empfehlung.

Zusammengefasst gibt es nicht genügend klinische oder wissenschaftliche Beweise, um eine gezielte ACE-Hemmer/ AT-Blocker Therapie zu beginnen oder zu beenden. Die Erfahrungen mit SARS-CoV2 und COVID-19 Patienten sind zu gering und anstatt sich verrückt machen zu lassen, erscheint es sinnvoll, sich an die bewährten Behandlungsstrategien zu halten.

Bleibt gesund!

Sebastian.

P.S.: Wer hierzu mehr erfahren will:

JAMA. doi:10.1001/jama.2020.4812

JAMA. doi:10.1001/jama.2020.2648

Lancet. 2020;S0140-6736(20)30566-3

Crit Care. 2017;21(1):234.