Blog 47: Richtig lernen – Mein Konzept
Ja, es gibt echte Künstler, die es schaffen, produktiv und effektiv neue Inhalte zu erlernen und für Prüfungen auf den Punkt vorbereitet zu sein. Noch viel besser ist es schließlich, wenn die neu erlernten Inhalte nicht nur für den Prüfungszeitpunkt abrufbar sind, sondern mehr oder minder den Rest deiner Zeit erinnerlich bleiben. Aber wie geht das? In diesem Blogbeitrag habe ich dir die drei wesentlichen Aspekte meiner persönlichen Lernstrategie zusammengefasst.
Ich darf gleich zu Beginn provokativ ins Rennen starten. Sicherlich hast du schon von der Unterscheidung zwischen passivem und aktivem Wissen gehört. Und genau hier ist meine persönliche Meinung ganz klar: passives Wissen ist in den meisten Fällen eine Ausrede und hilft uns im echten Leben leider nicht weiter. Also, an alle Studierenden, Auszubildenden, Schüler und Interessierte: passives Wissen ist -wenn es sowas überhaupt wirklich geben sollte- für den Beruf, den Alltag und insbesondere für Prüfungen ungeeignet und mit allen Mitteln zu vermeiden.
Ich war mal ein Profi im Aufbau von „passivem Wissen“ und bin damit nicht selten richtig auf die Nase gefallen. Das Ergebnis „passiven Wissens“ sind dann Sätze wie: „Oh Mann, ich versteh‘ das einfach nicht, denn zum Zeitpunkt der Prüfung war alles weg, aber gestern hab ich noch alles gewusst“.
Um dies zu vermeiden und dir heute auch gar nicht erst zu beschreiben, wie ich es falsch gemacht habe, sondern beschränke ich mich auf die Ergebnisse meiner Weiterentwicklung und hoffe, dass du hieraus wertvolle Informationen für dein eigenes Schaffen ziehen kannst.
Gesamtstruktur im Schnelldurchgang
Ich habe mit der Zeit gelernt, dass es sinnvoll ist, Inhalte im Gesamtkontext zu erfassen. Damit bin ich in der Lage, die neuen Informationen an bereits vorhandenes Wissen zu knüpfen und in einen Zusammenhang zu bringen. Auf diese Art und Weise kann ich die Lerninhalte nicht nur besser verstehen, sondern durch die Verknüpfung auch gleich besser behalten und aktiv abrufen.
Zu Beginn betrachte ich die Menge der neuen Inhalte. Handelt es sich um ein ganzes Lehrbuch, unterteile ich dieses in für mich sinnvolle Abschnitte. Sind es nur einige Seiten oder Kapitel, werden diese nicht zusätzlich unterteilt, sondern bleiben als Gesamtabschnitt bestehen, damit der Kontext möglichst erhalten bleibt. Im Anschluss lese ich den neu zu erlernenden Abschnitt einmalig und im Schnelldurchgang durch. Ich lese nicht Wort für Wort und manchmal sogar auch nicht Zeile für Zeile. Allerdings ist es auch deutlich mehr als ein schlichtes Überfliegen ganzer Seiten. Ziel ist es, mit diesem Schnelldurchgang einen ersten inhaltlichen und strukturellen Gesamtüberblick zu erhalten. Hierfür mache ich mir im ersten Durchgang meist keine Notizen. Wenn überhaupt, dann notiere ich mir ausschließlich Fragen, aber darauf kommen wir später noch einmal zurück.
Durch das schnelle Lesen ist es einfacher möglich, Gesamtzusammenhänge zu erfassen, obgleich die Details noch nicht im Vordergrund stehen. Somit bekomme ich rasch ein Gefühl für das Thema, die übergeordneten Aspekte, und die Einschätzung die Inhalte, die mir wohl eher leichter fallen- und eben auch die Themen, die mir wohl in den nächsten Durchgängen als größere Herausforderungen gegenüberstehen werden.
Tatsächlich ist es hier besonders wichtig, nicht bereits langsam und zielgerichtet in einzelne Aspekte der Materie einzusteigen. Für die Gesamtzusammenhänge braucht es eines gewissen Lesetempos, denn die „schnelle Lesart“ erlaubt es uns, die Inhalte im Gesamtkontext aufzunehmen anstatt uns in einzelne Details zu verlieren, wie es bei der langsamen Lesart schnell passieren kann. Dies wurde mir tatsächlich erst durch das Lesen des Buches SPEED READING von Tony Buzan richtig klar. Aber, was soll ich sagen, es funktioniert und an dieser Stelle möchte ich dir das Buch sehr ans Herz legen.
Genauere Struktur und erste Fragen
Ist der erste Schritt abgeschlossen, kommt meine persönliche Strukturierung ins Spiel. Mit dem iPad und meinem Lieblings-Notiz-Programm „Notability“ (früher war es einfach Papier und Stift) starte ich damit, die gelesenen Inhalte durch Überschriften meiner Struktur auf Reihe zu bringen. Dies geschieht meist nicht nur durch Text, also Fragen, sondern nicht selten auch grafisch im Sinne einer Art Mindmap.
ACHTUNG: Wenn ich die Zusammenhänge nicht ausgesprochen einfach grafisch darstellen kann, dann habe den Gesamtkontext nicht verstanden und muss mir noch einmal ein neues Bild machen, um nicht „blind drauf los“ zu lernen.
In diesem Schritt der Strukturierung lege ich weniger Wert auf die originale Struktur, die mir das Buch vorgibt. Es geht mir in diesem Schritt vielmehr darum, meine eigene Struktur in Abhängigkeit meines persönlichen Verständnisses aufzuzeichnen und mir den Kontext somit klar zu machen. Häufig decken sich die Strukturen der Autoren mit meinen Gedanken, aber manchmal eben auch nicht. Viele nutzen hierfür Mindmaps, andere nutzen einfach viele Farben in einem Text. Ich zeichne mir je nach Inhalt eine eigene Grafik, die immer und immer wieder ja nach Thema neu aussehen kann.
Für die Gestaltung meiner Strukturen stelle ich mir immer die selben Fragen:
- Was haben die Inhalte gemeinsam?
- In welchen Aspekten unterscheiden sich die Inhalte wesentlich voneinander?
- Mit welchen alltäglichen Prinzipen, Inhalten oder Strukturen kann ich das gerade Gelesene vergleichen?
Die Phase der Strukturierung ist bereits eine intensive Lernphase, denn um die mir selbst gestellten Fragen beantworten zu können, muss man beginnen in die Tiefe zu gehen um eben Gemeinsamkeiten und Unterschiede darstellen zu können. Hierbei entstehen viele neue Fragen, die ich als Subtitel unter die einzelnen Titel setze und im Verlauf beantworte. Diese Fragen setze ich zu Beginn relativ inflationär ein. Viele Fragen sind gut, denn viele Fragen bedeuten, dass ich zuletzt viele Antworten geben- und damit „aktives Wissen“ generieren werde.
Diese Lernphase endet immer mit einer ersten kleinen Prüfung. Ich prüfe mich selbst. Und das Ergebnis ist zu Beginn natürlich meist ernüchternd und tut weh. Aber sie zeigt mir in besonderem Maße auf, was ich alles nicht weiß und ist somit auch ein großer Motivator.
Beantwortung der Fragen
Natürlich sollten die Fragen, die in den ersten Schritten erarbeitet wurden, auch beantwortet werden. In diesem Fall ist es nicht nur wichtig, durch das Durcharbeiten die Fragen innerhalb der gesetzten Strukturen und Zusammenhänge zu beantworten, sondern gleichzeitig auch den erarbeiteten Bezug zu den alltäglichen Dingen nicht zu verlieren, damit der Gesamtkontext aus den ersten beiden Schritten erhalten bleibt. In dieser Phase darf man keinesfalls dem verlockenden Angebot erliegen, die Fragen durch reines „noch einmal Durchlesen“ zu beantworten, da sonst das Abdriften in passives Wissen droht. Vielmehr gilt es, die Informationen für die Beantwortung der Fragen aktiv zu suche, in die eigene Struktur zu übertragen und aktiv wiederzugeben. Zu Beginn scheint dies deutlich länger zu dauern als einfach zu lesen. Stimmt. Allerdings spart man insgesamt Zeit, da der Effekt im Sinne des Lernergebnisses deutlich besser ist. Jedenfalls für mich.
In dieser Phase darf man so weit in die Tiefe gehen, wie die Zeit es dir erlaubt. Tiefe ist gut, denn alles, was du in Details lernst hilft dir dabei, die groben Strukturen als „gesetzt“ zu sehen und somit noch besser zu behalten. Aber Vorsicht: verliere dich nicht zu sehr in Details, sodass zuletzt die Zeit für andere Themen auf der Strecke bleibt.
Wenn du diesem Phänomen entgegen wirken möchtest, dann kann ein Lernplan hilfreich sein. Ich persönlich beginne nach dem ersten groben Überblick allerdings gern sofort, um mich nicht um Kopf und Kragen zu planen. Also, je nach „Gusto“.
Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung
Nun ist es soweit. Die Struktur steht, die Fragen sind formuliert, die richtige Tiefe in der neuen Materie ist erreicht und nun gilt es, sich nicht vom Gehirn im Stich gelassen zu werden. Um die neu erkämpften Informationen auch wirklich zu behalten, ist ein gewisser Grad an Wiederholungen wichtig. Diese Wiederholungen führe ich nie an einem Ort durch. Im Gegenteil. Ich achte darauf, dass ich die Fragen jederzeit in den unterschiedlichsten Situationen und an den unterschiedlichsten Orten beantworte und noch einmal nachhake. Somit versuche ich mich darauf einzustellen, aktives Wissen eben jederzeit und überall abrufen zu können. AKTIVES Wissen eben. Nur ungern würde ich mein Gehirn darauf hin konditionieren, Inhalte nur zu einer Tageszeit an einer Stelle abzurufen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass der Prüfer so nett sein wird und beispielsweise um 15 Uhr an meinem Schreibtisch zu Hause erscheint, um die Prüfung durchzuführen, ist doch eher gering, oder?
Lernatmosphäre
Hier gibt es kein Richtig und kein Falsch. Es gibt nur gewisse Grundregeln, die einfach für jedes Gehirn gelten. Um wirklich in eine Konzentrationsphase zu kommen benötige ein Jeder seine persönlichen Umstände. Gleichzeitig gilt für jeden, dass Unterbrechungen der Tod des “Flows“ sind. Je nach Art der Unterbrechung kann es bis zu 23 Minuten dauern, um wieder richtig im Thema zu sein. Somit ist mein Tipp für dich -abgesehen davon dein Umfeld auf das Wesentlich zu reduzieren- alle möglichen Unterbrechungen auszuschließen und es durchzuziehen. Dann bleibt auch noch was vom Rest des Tages übrig, wenn du Glück hast.
Um richtig zu lernen kann es hilfreich sein zu verstehen, wie das Gehirn in seinen Grundzügen funktioniert. Hier kann ich dir mit HIRNGEFLÜSTER noch ein wirklich gutes Buch empfehlen, das mir selbst jedenfalls großen Spaß gemacht hat und auch weiterhalf, mich in meiner Lernstrategie zu bestätigen.
Schließlich verweise ich an dieser Stelle noch einmal an das zu diesem Blog passende YOUTUBE VIDEO, in welchem ich zusätzlicH zu den hier beschriebenen Inhalten auch noch einmal auf die berühmte Loci-Methode als Lernhilfe eingehe. Und wenn dir das Video gefällt, dann vergiss nicht den Kanal zu abonnieren, damit du keine zukünftigen Beiträge verpasst!
Wenn du Fragen oder Anmerkungen hast, dann hinterlasse mir doch gern eine Nachricht in den Sozialen oder kontaktiere mich via Mail!
Viel Spaß beim lernen und bis dahin,
Sebastian.
Comments are closed