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In BLOG 50 habe ich dir bereits von meinen Ansichten zu Checklisten in der Akut- und Notfallmedizin berichtet und die Checkliste Intensiv-Visite vorgestellt. Heute wird es ein wenig praktischer:

Es geht um die „Checkliste Intubation“

Die endotracheale Intubation stellt ein Standardverfahren in der Notfallversorgung dar. Einerseits kommt dieses Verfahren täglich zum Einsatz, andererseits birgt es viele Gefahren in sich. Die Checkliste soll dazu beitragen, dass nicht nur alle Materialien zum Zeitpunkt der Intervention funktionsfähig bereitliegen. Vielmehr gilt es aus meiner Sicht hierbei auch, des Prozess zu begleiten und alltägliche Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen.

Aus diesem Grunde ist diese Checkliste in 4 verschiedene Sektionen unterteilt und beinhaltet auf der Rückseite Standarddosierungen, um insbesondere den weniger erfahreneren Kolleginnen und Kollegen als Unterstützung zu dienen.

 

Gleichzeitig ist die Aufteilung so gewählt, dass im Falle einer ausgesprochen rasch notwendigen Intubation die wichtigsten Aspekte der Checkliste durch einfaches Durchgehen der Überschriften kurz abgehandelt werden können. Ein solche Situation –zeigt zumindest meine persönliche Erfahrung- kommt ausgesprochen selten vor. Die Checkliste kann viel häufiger als man glauben mag in aller Ruhe mit dem Team abgearbeitet werden, ohne Patienten zu gefährden und es hilft ungemein, denn man findet einfach immer etwas, was nun doch in Vergessenheit geraten wäre… man muss es sich nur eingestehen.

 

RECHNE MIT SCHWIERIGEM ATEMWEG!

Dieser Satz steht ganz oben und ist ein solcher, den man nicht häufig genug sagen kann. Früher stand über dem Algorithmus: „Wer keinen Plan B hat, ist ein Idiot“. Aus Gründen der „Political Correctness“ habe ich das geändert. Eigentlich schade.

 

Patient*in

Die Präoxygenierung steht bewusst ganz vorn, da diese bereits begonnen werden kann, während die restlichen Vorbereitungsmaßnahmen durchgeführt werden. So kannst du bestenfalls die Zeit für die Patient*innen sinnvoll nutzen, bevor es „richtig losgeht“.

Da nicht bei jeder Notfallintubation die Möglichkeit einer NIV/CPAP zur Verfügung steht, wird diese Option mit dem Begriff „erwäge“ in diese Checkliste mit aufgenommen.

Im Bereich des Monitorings kann man sich förmlich austoben. Es gibt hier natürlich verschiedene Wege der Dokumentation in einer Checkliste. Ich habe mich dazu entschieden, die Kapnographie an die erste Stelle zu setzen, da mir diese besonders wichtig ist. Sie gibt mir Hinweise zur (korrekten) Tubuslage nach Intubation und bestenfalls gleichzeitig auch Auskunft über das Ausmaß der Ventilation sowie der Kreislaufsituation. Ich mag Kapno.

Zudem steht sehr bewusst der Begriff „SpO2 mit Ton“ geschrieben. Viele begehen aus meiner Sicht den Fehler, dass zwar ein Pulston aktiviert wird, dieser aber mit dem EKG verbunden ist. Hierdurch ergibt sich allerdings keine Modulation in der Tonhöhe bei veränderten Sättigungswerten. Aus diesem Grunde lege ich Wert darauf, dass der Pulston an die SpO2-Messung gekoppelt ist. Hierdurch höre ich einerseits die Herzfrequenz und andererseits gibt mir die Tonhöhe Informationen über das Ausmaß der Sättigung. Um hier von Beginn an Fehler zu vermeiden, macht es Sinn, es eben auch genau so in die Checkliste aufzunehmen. Oder nicht?

Gleichzeitig soll die Allgemeinsituation nochmals kurz betrachtet werden, wobei ich mich für die drei Punkte Zähne, Kreislauf und „Sonstiges“ entschieden habe. Sicherlich gibt es hier kein Richtig und kein Falsch. So oder so macht es Sinn, frühzeitig an das Prüfen des Zahnstatus zu denken, eine Optimierung der Kreislaufsituation anzustreben und auch rechtzeitig aktiv nach anderweitigen Auffälligkeiten Ausschau zu halten.

Die Position bekam eine eigene Überschrift, damit diese im Falle eines „Schnellverfahrens“ mit Abarbeiten der Überschriften nicht in Vergessenheit gerät. Die Position der Patient*innen ist eine einfach Maßnahme und fällt in einer hektischen Phase nur allzu schnell unter den Tisch, wodurch allen Beteiligten die Gesamtsituation erschwert wird. Mach dir frühzeitig Gedanken über die gesamte Lagerung des Patienten und bedenke die Möglichkeit der verbesserten Jackson-Position!

Gern nutze ich in Notfallsituationen eine Handschuh-Packung, die sich meist irgendwo findet. Diese lege ich dann unter den Kopf. Meist ergibt sich daraus genau die Position, die ich mir wünsche.

Material

Das Intubationsmaterial richtet sich sicherlich an das lokale Protokoll und gegebene Möglichkeiten. Allerdings gibt es natürlich auch Standards, die nicht unterschritten werden können und nicht unterschritten werden dürfen. Für mich gehören hierzu unter anderem der Einsatz eines effektiven Absaugsystems, die Bereitstellung eines kleineren Ersatztubus für den Fall der Fälle und ein Führungsstab, der auch für Erfahrene stets dabei sein sollte.

 

Medikamente

Tatsächlich habe ich frühzeitig einen Standard für Notfallnarkosen etabliert und gleichzeitig einen „Plan B“ für Medikamente hinterlegt. Der Standard ist im Material aufgeführt und lässt uns nicht im Stich. Die Medikamente sind sicher, einfach in ihrer Handhabung und in der Dosierung einfach zu merken. Dieses Kochrezept sollte nicht fehlen! Allerdings habe ich nie verstanden, weshalb so manche erst darauf kommen, kreislaufwirksame Medikamente aufzuziehen, wenn –wie bei einfach fast jeder Notfallnarkose- der Blutdruckabfall bereits zu beobachten ist. Dies führt in solchen Fällen dann immer zu latenter Hektik, unnötiger Dauer niedriger Blutdruckwerte und nicht selten zu Übersprungshandlungen in der Dosierung anschließenden Dosierung. Das muss nicht sein. Ein wesentliches Mittel dagegen ist, wenn man bereits das kreislaufwirksame Mittel seiner Wahl mit allen anderen Medikamenten von Beginn an bereitstellt. Ausgesprochen gern gebe ich bereits vor dem Relaxanz 10-20µg Noradrenalin, wenn die Ausgangssituation mir zeigt, dass es ohnehin notwendig sein wird und keine kontinuierliche Katecholamintherapie läuft. Häufig wird dann dadurch während des gesamten Intubationsvorgangs keine nennenswerte Hypotonie beobachtet.

 

Team & Plan B

Nicht selten besteht die Herausforderung weniger in der Bereitstellung des Materials und in der Vorbereitung des Patienten als in der Zusammenarbeit des Teams. Und für mich GIBT ES KEINEN GRUND, weshalb dies dann nicht genauso wichtig in die Checkliste Intubation integriert werden sollte, wie alle anderen Aspekte auch.

Die Aufgabenverteilung sollte von Beginn an klar sein. Du musst hierfür nicht zwingend die Luxusvariante mit einem Koordinator vorhalten. Aber wenn das Team groß ist, dann sollte ein solcher Koordinator definiert sein, damit alle Personen und Maßnahmen strukturiert sind.

Es tut niemandem weh, wenn nochmals klar definiert wurde, wer primär die Intubation durchführen wird, wer bei Schwierigkeiten als alternative intubierende Person in Frage kommt und wer wem an welcher Stelle eine Assistenz bietet. Auch wenn du glaubst, jedem sei ohne Worte klar, wer wann was macht, so lass dir sagen: nein!

Den Plan B vorzubereiten ist schlau. Ihn vorzubereiten, den Prozess klar zu definieren und zu kommunizieren ist noch schlauer. Viel wichtiger als die „Art des Plan B“ ist dessen Definition und Kommunikation. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, spielt es für die Assistenz meist keine Rolle, ob eine Larynxmaske oder ein Larynxtubus angereicht werden soll, oder?

Ausgesprochen hässlich könnten Momente werden, in welchen selten verwendete Medikamente zum Einsatz kommen sollen und man sich dann gemeinsam genau in diesem hektischen Moment fragt, wo diese Raritäten eigentlich zu finden sind. Aber keine Sorge, lässt sich lösen! Kommuniziere doch einfach fest verbindlich in deiner Checkliste, wo diese selten verwendeten und manchmal auch nur an einer Stelle gelagerten Medikamente zu finden sind. Dies hat dann zwei positive Auswirkungen: erstens weiß jeder in dieser Sekunde im Team, wo sich die Medikamente befinden und zweitens erinnert sich jeder daran, dass diese Optionen eventuell notwendig werden und in welchem Falle sie zum Einsatz kommen müssen.

 

Schwieriger Atemweg

Ich weiß, ich weiß. Wir sind alle superklasse. Echte Helden. Unfehlbar. Supidupi. Ich bin total einverstanden. Viel Spaß mit dem Gefühl. Unnötigerweise bestehe ich offensichtlich trotzdem darauf, dass ein eventuell eben doch vorkommender schwieriger Atemweg besprochen und gemeinsam abgehandelt wird. Nach Checkliste. Immer.

Hierzu gehört dringend, dass alle Supermänner im Notfall auch von Superwoman profitieren, die allzuhäufig auch mal den Karren aus dem Dreck zieht. Deshalb steht „Hilfe rufen“ auch an erster Stelle.  Zudem steht der Ausspruch Plan B! geschrieben, der allen Beteiligten ab dieser Sekunde klar macht, dass man in das zuvor kommunizierte Alternativprocedere übergeht. Mehr ist grundsätzlich nach guter Vorbereitung in diesem Moment gar nicht notwendig.

Die Beutel-/Masken-Beatmung findet hier nochmals eine besondere Erwähnung. Wenige Hilfsmittel sind detailliert aufgeführt. Allerdings halte ich es für einen Fehler, diese Option nicht nochmals aufzuführen. Allzu schnell läuft das Team Gefahr, sich auf einen Tubus im Hals zu fokussieren anstatt sich klar zu machen, dass es primär um die Zuführung von Sauerstoff und die Abventilation von Kohlendioxid geht.

Weitere Schritte wie das Videolaryngoskop und supraglottische Atemwegshilfen sollten nach lokalem Protokoll zur Anwendung kommen. Richtigerweise werden z.B. Videolaryngoskopie in vielen Bereichen bereits primär und nicht erst als Alternative eingesetzt.

Wenn alle Stricke reißen gibt es nur 2 Möglichkeiten: entweder man sieht eine realistische Option, Patient*innen wieder wach werden zu lassen oder man geht aggressiv einen Schritt voran und führt eine Notfallkoniotomie durch. Der Aufwachversuch kann mit großen Risiken –nämlich einer zu langen Hypoxiephase- verbunden sein und muss unter Berücksichtigung einer möglichen Beutel-/Masken-Beatmung erwogen werden. Die Koniotomie ist eine Alternative, die –wen wird es überraschen- im Vorhinein trainiert worden sein muss, damit sie gelingt.

Last but not least finden sich auf der Rückseite meiner Checkliste das Kochrezept für die Standardnarkose, ein Alternativrezept und weinige Dosierungen für Zwischenfälle, die insbesondere jungen Kolleg*innen dabei helfen sollen, umgehend handlungsfähig zu sein.

Ich hoffe, dass dir meine Checkliste Intubation gefällt! Damit du diese an die Bedürfnisse deines Umfeldes anpassen kannst, findest du hier die Vorlage im Word-Format:

Checkliste-Intubation

Wenn du dich besonders für Checklisten interessierst, lege ich dir hier nochmals meinen BLOG 50 zum Thema Checkliste Intensiv-Visite ans Herz.

Wie sieht deine Checkliste aus? Hast du andere Konzepte, oder Anmerkungen bzw. Fragen zu der hier vorgestellten Variante? Ich freue mich über deine Rückmeldung über die sozialen Medien oder gerne via Mail.

 

Bis dahin,

Sebastian.