Als ich in der Ausbildung zum Rettungsassistenten war bestand die klinische Untersuchung bei Verdacht auf Schlaganfall aus drei (deutsch ausgesprochenen) Punkten:
- Kreuzgriff und Armvorhalteversuch
- Backen aufpusten und Stirn runzeln
- Einen (pseudo-) kreativen Satz nachsprechen lassen.
„Gefühlt“ war diese Testung ganz gut, um insbesondere präklinisch den Verdacht auf einen akuten Schlaganfall zu äußern oder eben nicht.
Dann kam die „moderne“ Notfallmedizin. NATÜRLICH haben wir das alles dann ein wenig anglifiziert -und ich mache das gern, denn es klingt cool und ist sehr häufig sinnvoll, um sich Dinge besser behalten zu können.
Akt 1: FAST für die klinische Schlaganfalldiagnostik in der Notfallmedizin
Sehr rasch wurde das „FAST-Konzept“ als Hilfestellung für die notfallmedizinische Untersuchung bei Verdacht auf Schlaganfall geboren. Dieses Konzept stellt sich so einfach dar, dass es problemlos auch in der Aufklärung für die Bevölkerung und für Schulungen im Bereich der Ersten Hilfe genutzt wurde.
Wofür steht FAST?
F= Face Suche Hinweise auf Facialisparese
A= Arm Armvorhalteversuch und Kreuzgriff (Hinweise auf Parese oder Plegie?)
S= Speech Einfach mal einen kreativen Satz nachsprechen lassen, um eine sensorische oder
motorischen Aphasie zu delektierten.
T= Time Wenn mindestens einer der o.g. Kriterien auffällig (positiv) ist, dann GIB GEFÄLLIGST GAS, DENN EIN SCHLAGANFALL IST SEHR WAHRSCHEINLICH.
Wir sind ja unter uns und deshalb kann ich es auch sagen, aber tatsächlich ist dir wohl auch aufgefallen, dass „FAST“ dem entspricht, was wir -zumindest seit 1997- ohnehin schon in der deutschen Rettungs- und Notfallmedizin gemacht haben, um den klinischen Verdacht auf einen Schlaganfall zu erhärten oder auszuräumen. Und dennoch: ich begrüße das Akronym, denn es hilft in jeder Situation die Übersicht zu wahren und nicht zu vergessen. Also, FAST ist cool und sollte auch genutzt werden.
Fakten zu FAST aus einer Cochrane-Analyse 2019 [4]:
Sensitivität: 0.64 – 0.97
Spezifität: 0.13 – 0.92
- Akt: FAST wird zu BE-FAST
Auf einmal tauchte eine Modifikation des FAST auf, das sogenannte BE-FAST
B= Balance
E= Eyes
FAST (wie bisher).
Wo kam das her?
2017 publizierten Aroor et al eine Untersuchung, die sich mit SchlaganfallpatientInnen beschäftigten. Hier wurde überprüft, welche PatientInnen durch das „FAST-Konzept“ diagnostiziert worden wären und welche eben nicht [1].
Methode: Retrospektive, monozentrische Untersuchung. Eingeschlossen wurden alle PatientInnen mit der Entlassungsdiagnose eines ischämischen Schlaganfalls. Ausgeschlossen wurden solche, die komatös oder intubiert (beatmet) waren.
Ergebnis dieser Untersuchung war, dass 14% der insgesamt 736 eingeschlossenen PatientInnen durch FAST nicht erkannt worden wären. Weiterhin machten die Autoren die Beobachtung, dass insbesondere zwei klinische Merkmale bei den nicht diagnostizierten PatientInnen führend waren:
- Stand- und Gangunsicherheit (= B wie „Balance“)
- Sehstörungen. (= E wie „Eyes“)
Zusammenfassend hielten die Autoren fest, dass unter Berücksichtigung der beiden nicht in FAST implementierten Symptome B wie Balance und E wie Eyes nur noch 4% der Fälle klinische nicht diagnostiziert worden wären. Dies führte zur Schlussfolgerung, dass durch Eskalation des FAST Konzepts auf ein „BE-FAST“ Konzept eine deutlichen Verbesserung der klinischen Erfassung von Schlaganfällen möglich sein könnte.
Reflektiert hielten die Autoren in dieser Untersuchung fest, dass es sich hierbei um eine retrospektive Untersuchung handelte und das Model „BE-FAST“ auf einem theoretischen Gedankengang beruht, welcher in weiterführend prospektiven Untersuchungen zunächst überprüft werden müsse; allerdings bei Bestätigung des BEFAST-Konzepts auch die Übernahme in offiziellen Konzepten (z.B. der AHA) sicherlich notwendig sei.
Ungeachtet der Limitationen kam es in weiten Teilen rasch zur Ergänzung des FAST-Konzepts durch BE-FAST und die prospektive Studie ließ nicht lange auf sich warten.
Im Jahr 2018 wurde von Pickham et al die erste präklinischen Studie mit dem Ziel, BE-FAST zu reevaluieren, publiziert [2].
Methodisch handelt es sich um eine prospektive Untersuchung, die nach Training des Rettungsfachpersonals das FAST-Konzept durch „B“ für Balance „Koordination“ und „E“ für Eyes (in diesem Fall als Doppelsehen“) ergänzte. Eingeschlossen wurden alle PatientInnen, die innerhalb von 6 Stunden durch ein irgendein neurologisches Symptom auffällig wurden. Zwecks Bestätigung der Diagnose nutzte man letztlich die Diagnose aus der weiterbehandelnden Klink.
Im Ergebnis der insgesamt 359 untersuchten PatientInnen wurden folgende Punkte festgehalten:
- Die tatsächlichen SchlaganfallpatientInnen zeigten häufiger Symptome, die durch BE-FAST erfasst wurden
- Die Facialisparese (F) und Schwäche im Bereich der Arme (A) waren die einzigen unabhängigen Prädiktoren für Schlaganfall
- Zwar zeigte sich sowohl in FAST als auch in BE-FAST ≥1 Punkt für eine hohe Treffsicherheit in der Schlaganfalldiagnose als ausreichend, doch konnte in der Erfassung des positiven und negativen prädikativen Werts kein signifikanter Unterschied erkannt werden.
Kurzum: durch Hinzufügen von B und E zum FAST Konzept im präklinischen Setting konnte in dieser prospektiven Untersuchung keine Verbesserung in der Erkennung von SchlaganfallpatientInnen gezeigt werden.
- Akt: BE-FAST auf dem Weg zu innerklinischen Notfallteams
Im Juli 2020 erschien schließlich eine neue interessante Publikation zum Thema BE-FAST. Ammar et al untersuchten in ihrer Studie, ob BE-FAST für die klinische Erkennung ischämischer SchlaganfallpatientInnen für innerklinische Notfallteams geeignet ist [3].
Methode: monozentrische, retrospektive Untersuchung von „Stroke-Alarm“ Daten, die entweder bereits durch den Rettungsdienst ausgelöst wurden, durch Mitarbeiter der Notaufnahme getriggert wurden oder durch Mitarbeitende im Klinikum bei auffälligen PatientInnen erfolgte.
Ergebnis: Von insgesamt 1965 „Stroke-Alarmierungen“ waren 489 innerklinische PatientInnen betroffen. Bei diesen PatientInnen waren häufigste Gründe für die Alarmierung ein fokal-neurologisches Defizit gefolgt von Bewusstseinsstörungen und Verwirrtheitszuständen. Die Sensitivität von BE-FAST für die Diagnose des akuten ischämischen Strokes lag im Gesamtkollektiv bei 85% mit einer Spezifität von 43%.
Auffällig war, dass ein verändertes Bewusstsein häufiger bei den innerklinischen PatientInnen im Vergleich zu den Notfallpatienten aus der Präklinik bzw. der Notaufnahme waren. Wurden PatientInnen mit verändertem Bewusstseinszustand herausgerechnet, konnte eine Sensitivität von 92-94%, je nach Umfeld in der Präklinik oder der Notaufnahme, errechnet werden.
Die Limitationen dieser Untersuchungen liegen auf der Hand. Auch hier handelt es sich um ein retrospektives Design und die Studie wurde nur in einem Zentrum durchgeführt. Die Dunkelziffer der PatientInnen mit einem Stroke, die nie erkannt wurde, also auch nicht durch BE-FAST, ist natürlich vollkommen unbekannt. Gleichzeitig ist es mE die bisher einzige Untersuchung, die sich mit der Anwendung von BE-FAST in innerklinischen Notfallteams auseinandergesetzt hat.
Zusammenfassend kommen die Autoren dieser retrospektiven Untersuchung auf das Ergebnis, dass BE-FAST ein sensitives, wenn auch nicht sehr spezifisches Instrument ist, um innerklinisch einen akuten ischämischen Schlaganfall zu erkennen.
Mein Fazit:
Der Schlaganfall ist definitiv ein großes Thema in der prä-und innerklinischen Notfallversorgung und gehört zu den häufigsten Gründen weltweit für Todesfälle und Beeinträchtigung des Alltags unserer PatientInnen. Der Zeitaspekt in der Versorgung spielt eine Schlüsselrolle und somit ist eine rasche und gezielte klinische Diagnostik ausgesprochen wichtig.
Ich bin großer Freund von Hilfsmitteln und Gedächtnisstützen, da sie keinem weh tun und bestenfalls dabei helfen können, effektiv in der Patientenversorgung zu sein. Somit kam mir schon „FAST“ damals sehr entgegen.
Zwar sprechen die derzeit vorliegenden Daten nicht zwingend für die Erweiterung von FAST zu „BE-FAST“, doch muss ich zugeben, dass ich es dennoch ausgesprochen charmant finde und auch gerne einsetze.
Und was ist der Grund dafür? Der Check von B und E dauert 15-30 Sekunden. Bestenfalls findet man einen weiteren klinischen Hinweis, der im Zweifelsfall für einen (akuten) Schlaganfall spricht und im weiteren Verlauf die rasche Versorgung und das Outcome unserer PatientInnen verbessern kann. Schlechtestenfalls haben wir 30s ohne Ergebnis investiert.
In der innerklinischen Untersuchung kam deutlich heraus, dass die Bewusstseinsstörung die klinische Diagnostik mit BE-FAST negativ beeinträchtigt. Sicherlich muss dies als deutliche Einschränkung berücksichtigt werden. Dennoch konnte auch gezeigt werden, dass ≥ 1 positiver Punkt sowohl bei FAST als auch bei BE-FAST ausreichen, um berechtigt den klinischen Verdacht auf einen (akuten) Schlaganfall zu äußern.
Kurzum: BE-FAST tut nicht weh, richtet sicher keinen Schaden an und kann in Einzelfällen für unsere PatientInnen maßgeblich positive Folgen haben. Einfach machen!
Meine Buchempfehlung zu neurologischen Notfällen:
Wenn du dich in der neurologischen Notfallmedizin weiterentwickeln möchtest und ein gutes Nachschlagewerk benötigst, welches sich im Alltag bewährt hat, kann ich dir folgendes Buch empfehlen:
236 Seiten, gegliedert in 4 Kapitel, die neurologische Leitsymptome, Therapieschemata für akut-neurologischer Erkrankungen, einen Überblick über medizinische Erkrankungen, die für NerologInnen relevant sind und verschiedene Schemata beinhalten.
Wenn du Fragen oder Anmerkungen hast, dann kontaktiere mich doch gerne über die Sozialen Medien oder via Mail. Ansonsten empfehle ich dir auf diesem Wege noch meinen YouTube-Kanal. Und vergiss nicht, den Kanal zu abonnieren, damit du keine weiteren Videos verpasst.
Bis dahin,
Sebastian
Literatur:
[1] Stroke. 2017;48:479-481.
[2] Prehospital Emergency Care. 2019;Mar-Apr;23(2):195-200
[3] J Stroke Cerebrovasc Dis. 2020 Jul;29(7):104821
[4] Cochrane Database of Systematic Reviews 2019, Issue 4. Art. No.: CD011427.
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