Schwangerschaftskardiomyopathie? Was ist das?

Die Schwangerschaftskardiomyopathie (PPCM) ist eine idiopathische Kardiomyopathie. Patientinnen stellen sich häufig mit den Leitsymtomen der Dyspnoe, Müdigkeit und Abgeschlagenheit vor. Die klinischen Zeichen der Herzinsuffizienz zeigen sich in Folge einer linksventrikulären systolischen Funktionsstörung.

 

 

Die größten kardiovaskulären Veränderungen mit Entwicklung einer symptomatischen Herzinsuffizienz bei Frauen mit vor bestehenden Herzerkrankungen treten im zweiten Trimester auf.

Im Gegensatz dazu entwickeln sich die Symptome der PPCM erst im Laufe der späten Schwangerschaft oder Wochen bis (ca. 6) Monate nach Geburt.

Die PPCM ist eine Ausschlussdiagnose. Weist die Patientin eine LVEF unter 45% auf, zeigt ein erhöhtes NT-Pro-BNP und eine linksventrikuläre Dilatation ist nach Ausschluss anderer Ursachen von einer PPCM auszugehen.

 

Etwas ist die Tiefe: was verursacht eine Schwangerschaftskardiomyopathie?

Durch tierexperimentelle Studien mit gefäß-hormonellem Ansatz wurden bis heute zwei weitere Theorien diskutiert:

 

Model 1:

Prolaktin, ein natürlich gegen Ende der Schwangerschaft ausgeschüttetes Hormon, wird durch oxydativen Stress gespalten. Hieraus resultiert ein Prolaktin-Fragment (16-kDa), dass toxische Einflüsse auf Gefäße und Kardiomyozyten hat und somit ursächlich für die Dysfunktion von Herz und Gefäßsystem ist.

Wurden diese Mäuse mit BROMOCRIPTIN behandelt, konnte eine komplette Rückbildung der Kardiomyopathie beobachtet werden.

BROMOCRIPTIN ist ein zentral wirksamer Dopamin-Agonist, der alltäglich zum Einsatz kommt, wenn ein Zustand bzw. eine Erkrankung die Senkung des Prolaktinspiegels notwendig machen.

Bemerkenswert in diesem Model hat sich gezeigt, dass das menschliche Prolaktin wohl widerstandsfähiger gegen die Spaltung war als es bei den Modelmäusen der Fall war. Somit können derzeit die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen werden. Dennoch zeigt sich in ersten Untersuchungen auf ein positiver Effekt bei PatientInnen mit PPCM.

 

Model 2:

Hierbei wurde den Mäusen durch genetische Deletion (Verlust eines DNA-Abschnitts) des herzspezifischen PGC-1a (proliferator-activated receptor gamma coactivator-1a) eine erhöhte Toxizität an den Gefäßen durch Prolaktin beobachtet. Zudem kam es zu einer verminderten Expression des proangiogenen VEGF (vascular endothelial growth factor).

In diesem Model konnte durch BROMOCRIPTIN nur teilweise die Kardiomyopathie reversiert werden, sodass die zusätzliche Behandlung mit VEGF notwendig war, um eine vollständige Rückbildung der Kardiomyopathie erzielen zu können.

DA GIBT’S NOCH MEHR ZU WISSEN, aber wir wollen jetzt hier mal nicht übertreiben….

 

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass beide Modelle eine Theorie erhärten:

Die Schwangerschaftskardiomyopathie ist wahrscheinlich in weitesten Teilen eine Gefäßerkrankung, die durch den hormonellen Einfluss in der peripartalen Zeitspanne ausgelöst wird. Der Zusammenhang mit Prolaktin (und dem Spaltfragment) liegt nahe.

 

 

Und vermutet man einen genetischen Zusammenhang??

Natürlich vermutet man einen genetischen Zusammenhang. 15% der Frauen mit Schwangeschaftskardiomyopathie in Deutschland hatten eine familiäre Vorgeschichte mit Herzerkrankungen (PPCM, DCM, Plötzlicher Herztod, Arrhythmien) bei Angehörigen 1. Grades.

Diesbezüglich kommt man -ohne weiter in die Tiefe zu gehen- aktuell definitiv voran und hat auch bereits erste Mutationen identifiziert, die mit der PPCM in Verbindung gebracht werden.

 

Wie diagnostizierte ich die PCCM?

Viel zu häufig werden die Patientinnen zu spät diagnostiziert. Dies liegt einerseits an der Unkenntnis des Erkrankungsbildes und andererseits daran, dass die Symptome zeitgleich mit den Anzeichen der fortgeschrittenen Schwangerschaft auftreten und dadurch nicht der Kardiomyopathie zuordnet werden, sondern als schwangerschaftsbedingt unterdiagnostiziert bleiben.

Die meisten Patientinnen (ca. 2/3) werden nach Entbindung, typischerweise im ersten Monat postpartum, diagnostiziert.

Dies ist deshalb so ärgerlich, weil eine verzögerte oder gar späte Diagnose mit einer deutlich erhöhten Komplikationsrate und schlechterem Outcome vergesellschaftet sind.

Patientinnen präsentieren sich mit klassischen Anzeichen einer Herzinsuffizienz (Belastungs-) Dyspnoe, Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Orthopnoe, nächtlich auftretender Atemnot, Ödembildung, Engegefühl in der Brust).

In der körperlichen Untersuchung finden sich oft Tachykardie, Tachypnoe, gestaute Halsvenen, periphere Ödeme, feuchte RGs. Ein kleinerer Anteil der Patientinnen präsentiert sich mit Anzeichen eines kardiogenen Schocks, Thromboembolien oder gar schweren Herzrhythmusstörungen wie beispielsweise der VT oder auch Torsade-de-pointes.

Zwecks Evaluation der IMMER mit einzubeziehenden Verdachtsdiagnose PPCM sollte frühzeitig eine Echokardiografie erfolgen. Einen Algorithmus über meine typische Vorgehensweise bei o.g. Leitsymptom en gegen Ende einer Schwangerschaft oder nach Geburt habe ich die in diesem Prozess graphisch dargestellt.

 

Um den Verdacht auf PPCM zu erhärten, kann man schließlich wie folgt vorgehen:

Typischerweise ist die LVEF bei Vorliegen einer PPCM <45%. Zusätzlich zeigen sich zur systolischen Dysfunktion auch erweiterte Herzhöhlen und teilweise funktionale Klappenfunktionsstörungen. Anzeichen einer pulmonale Hypertension oder auch eine diastolische Funktionsstörung sind genauso möglich wie eine intrakardiale Thrombenbildung.

Typischweise ist NT-ProBNP entgegen eines normalen Schwangerschaftsverlaufs deutlich erhöht. Allgemeine Veränderungen im EKG können beobachtet werden, allerdings schließt ein normales EKG die Diagnose einer PPCM bei weitem nicht aus.

 

Das weitere, einfache Vorgehen im initial diagnostischen Management könnte aus diesem Grunde so aussehen:

 

 

Für die weitere Diagnostik ist ein Kardio-MRT ist möglich, insbesondere auch wenn Echo nicht aussagekräftig ist. Allerdings ist Gadolinum während der Schwangerschaft nicht anzuwenden. Eine Biopsie des Endomyokards ist nur indiziert, wenn entsprechend alternative Diagnosen berechtigt vermutet werden und der Nachweis durch eine solche Biopsie erfolgen muss. Eine Herzkatheteruntersuchung zwecks Ausschluss relevanter koronarer Ursachen für die vorliegenden Befunde muss unbedingt in Abhängigkeit des individuellen Patientinnenzustandes erwogen werden.

 

Wie grenze ich die PPCM am besten zur Differenzialdiagnose der Präeklampsie ab?

Naja. Es handelt sich hierbei definitiv um eine relevante Differenzialdiagnose. Eventuell vorbestehende Herzerkrankungen müssen genauso wie eine durch Präeklampsie verursachte Herzinsuffizienz differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden. Die Präeklampsie verursacht jedoch eine typischerweise eine diastolische Relaxationsstörung während die systolische Dysfunktion für die PPCM typisch ist.

 

Wie ist das weitere therapeutische Management der PCCM?

Dies richtet sich nach Schweregrad der LVEF Störung und Verlauf. Grundsätzlich ist in den Leitlinien das Vorgehen nach dem sogenannten BOARD-Schema empfohlen, wobei sich die Initialtherapie im Intensiv- und Notfallmanagement sicherlich auf die symptomatische Therapie und Bromocriptin-Gabe in Rücksprache mit den Kardiolog:innen (und Gynäkolog:innen) konzentriert.

 

Wie ist das Outcome bei Patientinnen mit PPCM?

Die PPCM ist voll von einhergehenden Komplikationen und unterschiedlichen Verläufen. Von vollständiger Genesung bis hin zur Notwendigkeit einer umgehenden (mechanischen) Kreislaufunterstützung und Transplantation.

Die Ätiologie (Pathophysiologie) ist bis heute noch nicht vollständig geklärt.

 

Gibt es Faktoren, die prognostisch verwertet werden können?

Zwischenzeitlich konnten verschiedene prognostische Faktoren identifiziert werden. Einer der wichtigsten Prädiktoren für eher ungünstige Verläufe und auch unerwünschte Ereignisse ist die LVEF zum Zeitpunkt der Diagnose. So scheinen beispielsweise LVEF <30% mit geringeren Erholungsraten und einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für unerwünschte Ereignisse vergesellschaftet zu sein.

Weiterhin gehören zu den Prädiktoren für ein schlechteres Ergebnis die linksventrikuäre Dilatation, die rechtsventrikuläre systolische Dysfunktion, Adipositas und das Vorhandensein eines linksventrikulär gelegenen Thrombus.

Zudem scheinen Afro-Amerikanische Frauen geringere Erholungsraten, längere Erholungszeiten, ein erhöhtes Auftreten von Komplikationen und eine erhöhte Sterblichkeit zu zeigen. Ähnliches wurde bei Frauen aus Haiti beobachtet. Die Gründe hierfür sind nicht eindeutig geklärt, wobei die genetische Disposition als Ursache eine naheliegende Arbeitshypothese darstellt.

 

Wie kann man sich den Verlauf der PPCM?

Einige Frauen erholen sich im Verlauf der Therapie trotz schwerer LV-Dysfunktion zum Zeitpunkt der Diagnose. Die LVEF zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ist also nicht wirklich ausreichend, um eine Indikation eskalierende, invasive Therapiemaßnahmen zu stellen. Aus diesem Grunde wird zunächst versucht, invasive Therapien wie der Einsatz einer LVAD, die Implantation eines ICD, die kardinale Resynchronisationstherapie oder sogar die hin und wieder notwendige Transplantation erst im Verlauf zu stellen, wenn der Gesamtverlauf und auch die eventuelle Erholung ausreichend beurteilt werden können.

 

Wie gefährlich ist die PCCM?

Die Sterblichkeit der PPCM differiert bezüglich der ursprünglichen Herkunft der Patientin, der medizinischen Versorgungsregion und der Dauer der Weiterbehandlung innerhalb des ersten Jahres nach Erstdiagnose. Die Ein-Jahres-Mortalität liegt zwischen 4-11%, während die Zwei-Jahres-Mortalität bis zu 28% (in Afrika) betragen kann.

 

Mein Fazit

Die PPCM ist ein dramatisches Erkrankungsbild, dass aufgrund seiner unspezifischen Leitsymptome häufig erst spät diagnostiziert wird. Meist wird die Diagnose innerhalb des ersten Monats nach Entbindung gestellt. Aufgrund der raschen Progredienz spielt die frühzeitige Diagnose für die weiterführende Prognose eine wesentliche Rolle. Aus diesem Grunde ist es wichtig, diese seltene Erkrankungsbild bei Erstkontakt differenzialdiagnostisch in betracht zu ziehen.

Liegt bei der initialen Untersuchung eines LVEF <45% mit linksventrikulärer Dilatation vor und das NT-Pro-BNP ist erhöht, sollte in einem interdisziplinären und Management die PPCM ausgeschlossen oder bestätigt werden.

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Bis dahin,

Sebastian.

 

Literatur:

JACC Vol. 75, No. 2, 2020. Jan 21, 2020: 207:21.

European Journal of Heart Failure (2019) 21, 827-843.

Herz 2018. 43: 431-437.

Deutsches Ärzteblatt. – Jg. 105 – Heft 44 – 31. Oktober 2008.