Immer wieder kommt es vor, dass wir alltäglich Dinge tun oder Gegenstände benutzen, bei welchen bis heute unklar ist, ob sie überhaupt nutzen oder nicht. Selbst in der Notfallmedizin im 21. Jahrhundert erwische ich mich immer wieder, wie ich gedanklich 2 Schritte zurückgehe und mit wieder einmal die Frage stellen muss, ob tatsächlich Evidenz die notfallmedizinische Maßnahme antreibt, oder ob vielleicht doch eher eine Gewohnheit oder gar ein Mythos verantwortlich für das Handeln ist.
Grund genug, um zum Jahreswechsel -wie jedes Jahr- auf „Mythbusting“ Tour zu gehen. Dieses Jahr hab‘ ich mir mal die berühmten Reanimationsbretter (CPR-Boards, CPR-Backboards) vorgenommen und insbesondere die Evidenlage aus den vergangenen 2 JAhren unter die Lupe genommen.
Das Ergebnis ist ernüchternd. Wie bereits befürchtet, gibt es keinerlei klinische Daten. Dementsprechend finden sich auch keine Daten zu wirklich harten Outcome-Parametern wie Mortalität, ROSC, Neurologisches Outcome, etc.
Stattdessen wird man ganz schnell mit Simulationsstudien konfrontiert, von welchen ich 3 vergleichsweise gut gemachte Untersuchungen herausgefischt und hier zusammengefasst habe:
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass jegliche klinischen Daten fehlen.
Wichtige Parameter, wie der zeitliche Aufwand, um die Boards zu platzieren, mögliche Pitfalls, Matratzenart und -dicke, werden oft nur lückenhaft oder meist sogar gar nicht erfasst, was eine Vergleichbarkeit ausgesprochen schwierig und wenn nicht sogar unmöglich erscheinen lässt.
Wenn eine verbesserte Tiefe bei Herzdruckmassage durch die Boards erkannt werden konnten, dann beliefen sich diese durchschnittlich (in den Reviews) zwischen 1,46 und 3mm. Die tatsächliche klinische Relevanz bei diesen geringen Unterschieden darf wohl mit recht angezweifelt werden. Beweise gibt es ja -wie schon erwähnt- ohne nicht.
Es wird Zeit, sich hier auf klinische Daten zu stürzen. Team, die dogmatisch das Reanimationsbrett suchen und evtl dadurch sogar eine längere No-Flow-Time in Kauf nehmen, seien gewarnt: im Gegensatz zu einer wackeligen Empfehlung („harte Unterlage“) oder genauere Angaben in den Leitlinien, gibt es derzeit aus meiner Sicht keine eindeutige Evidenz, dass es die Patient:innen hilft, sie auf ein „Backboard“ zu parken.
Vielmehr muss noch bewiesen werden, dass wir -insbesondere in weniger erfahrenen Teams- den Patient:innen durch den Zeitverzug und eventuell falsche Handhabung nicht schaden.
Soviel zu meinem „Myth Check 2022“.
Bleibt mir nur noch, Euch ein gesundes, zufriedenes und natürlich erfolgreiches neues Jahr zu wünschen.
Und wenn Ihr Fragen oder Kommentare habe, dann hinterlasst mir diese doch gern in den Sozialen Medien oder schreibt mir einfach eine Mail.
Bis dahin,
Sebastian
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