Ihr kennt das Dilemma. Einerseits muss es in der Notfallmedizin schnell gehen, andererseits darf nichts vergessen und übersehen werden. Deshalb lohnt es sich, Konzepte und Merkhilfen zu verwenden, die einfach und eingängig sind, damit im stressigen Alltag keine Informationen verloren gehen.
Heute stelle ich Euch eine solche Vorgehensweise für die alltägliche Befundung von Röntgenbildern des Thorax vor: (m)ein #ABCDE-Konzept, das ähnliche auch in einem zertifizierten Kurssystem thematisiert wird:

A: Alias, Aufnahmedatum & -qualität, Atemweg

“Alias“ soll sicherstellen, dass wir auch wirklich das richtige Röntgenbild beurteilen es ist schlimmer, als in der Hektik das Röntgenbild einer falschen Person zu zu ordnen. Gleichzeitig ist es auch wesentlich, dass der Aufnahmequalität beurteilt wird. Es kann schon vorkommen, dass die Aufnahme an sich so schlecht dargestellt ist, dass die Beurteilung grundsätzlich infrage gestellt werden muss. Dessen sollten wir uns von Beginn an bewusst sein.
Für die Befundung steht das A für Atemweg. Hierbei dachten wir die Trachea, sehen ob sie mittelständig über der Wirbelsäule projiziert ist, eine Seitenverlagerung vorliegt, eine offensichtliche Verengung erkennbar ist. Sind Fremdkörper sichtbar? Wo ist die Bifurkation und stellt diese regelrecht oder verbreitert dar?

B: Belüftung


„Belüftung“ kümmert sich um die Lungenfelder inklusive Pleura. Die passenden Kernfragen hierzu sind:
Wo sind die Lungengrenzen? Gibt es Hinweise für einen „Zeichnungsverlust“ und somit für einen Pneumothorax (CAVE: apikal oft schwer erkennbar)? Gibt es Hinweise auf Transparenzminderung i.S. von Atelektasen, Infiltraten oder im Sinne eines Lungenödems? Sind die Hili im Sinne von Dekompensationszeichen besonders betont?

C: Cor & Circulation


Hierbei geht es um die Beurteilung der Herz- und Gefäßkonturen. Ist das Herz in regelrechter Position, gut abgrenzbar und allseits schmal (normal) konfiguriert? CAVE: Zeigt sind eine erhöhte Transparenz im Bereich der Herzsilhouette im Sinne einer „Luftsichel“ (Anzeichen für Luft im Mediastinum, z.B. bei Boerhaave-Syndrom, einer wichtigen Differenzialdiagnose bei unklaren Thoraxschmerzen)? Gibt es Auffälligkeiten im Bereich des Aortenbogens oder der V. Cava superior?

D: Diaphragma


Das D nutze ich, um nochmal den Fokus auf das Zwerchfell und die anliegenden Strukturen zu legen. Sind die Zwerchfellkuppeln gut abgrenzbar? Liegt das rechte regelrecht über dem linken Hemidiaphragma? Hat die Person tief inspiriert und gibt es Hinweise auf einen (meist unilateralen) Zwerchfellhochstand? Wie stellen sich die Randwinkel da und gibt es hier Hinweise auf Pleuraerguss? Wie sehen die Bereich unterhalb des Zwerchfells aus? Gibt es Hinweise für freie Luft im Abdomen (Luftsichel unterhalb der rechten Zwerchfellkuppel; CAVE: nicht mit Chilaiditi-Syndrom verwechseln), ist die Magenblase im linken Oberbauch erkennbar und unauffällig?


E: Environment and Exposure


Bei E betrachte ich mir nochmals den gesamten Thorax und lege hier besonders Wert auf
– Knöcherne Strukturen: Hinweis auf Frakturen? Osteoporose? Große Zwischenrippenabstände im Sinne chronisch obstructiver Lungenerkrankungen?
– Gewebe: Luft im Sinne eines Emphysems?
– Fremdmaterial (ZVK inklusive Lagekontrolle, Schrittmacher? Gastrale Sonden? Andere (Throrax-)Drainagen? Liegt ein Endorachealtubus oder eine Trachealkanüle ein und befindet sich dessen Ende ca. 3 cm über der Carina?


Kernbotschaft:
Natürlich ersetzt dieses Vorgehen nicht die fachärztliche Befundung durch unsere Kolleg:innen der Radiologie. Dennoch hilft diese Vorgehensweise mir persönlich, auch in Stresssituationen den Überblick zu behalten und bestenfalls nichts zu übersehen oder zu vergessen. Vielleicht ist diese Vorgehensweise ja auch was für Euch? Oder habt Ihr andere, bessere Hilfestellungen für die Befundung eines Rö-Thorax? Eure Meinung würde mich sehr interessieren. Hinterlasst doch gern Euer Feedback in den Kommentaren.
Bis dahin,
Sebastian