Rennst du auch alle zwei Minuten zum Briefkasten und schaust nach, ob Post darin ist? Und wenn wirklich Post im Briefkasten enthalten war, dann liest du schon auf dem Weg in die Wohnung den ersten Brief deiner Bank und beginnst diesen auch umgehend noch im Treppenhaus zu beantworten? Nein? Und warum nicht? Na, weil es keinen Sinn macht.
Es macht keinen Sinn, weil du die Inhalte des Briefes im Vorbeigehen häufig nicht ganzheitlich erfasst und deine zwischen Tür und Angel verfasste Antwort wahrscheinlich nicht gut überlegt und schlecht formuliert wäre. Die Folge ist, dass du dich ohnehin noch einmal hinsetzen und das Schreiben neu verfassen müsstest oder -vielleicht sogar noch schlimmer- übereilt ein Brief an deine Bank gesendet wird, welcher fehlerhaft ist und (arbeits-)reiche Folgen hat. Und genau deshalb gehst du so mit deiner Post nicht um. Stimmt’s?
Aber weshalb ist dieses Verhalten dann Alltag im Umgang mit den elektronischen Briefen, also den Mails?
Einer der für mich schwierigsten Aspekte meiner Produktivitäts-Strategie war mein persönliches Verständnis von Mails und der richtige Umgang mit meinem elektronischen Briefkasten. Und so schwer es auch war, so habe ich im Verlauf drei wesentliche Grundpfeiler für mich festgelegt:
- Mails sind elektronische Briefe, die man in einen elektronischen Briefkasten wirft.
- Mails sind niemals dringend. Wenn etwas wirklich dringend ist, dann ruft man mich an.
- Mails sind keine Kurznachrichten. Die erhalte ich via Threema, WhatsApp, SMS…
- Gefahr im täglichen Umgang mit Mails
Vor der Zeit von Messenger-Programmen wie Threema, WhatsApp uvm. wurden Mails nur allzu häufig als kostenlose Messengerprogramme missbraucht; beruflich und privat. Folge war, dass Mails zwischen Tür und Angel geschrieben und beantwortet wurden. Mit zunehmender Verbreitung von Smartphones wurde dieses Verhalten dann sogar nicht nur am Schreibtisch, sondern eben überall und jederzeit an den Tag gelegt. Dieser Umgang endete schließlich darin, dass im Internet verschiedene „Mail-Knigge“ zu finden waren, damit wieder ein Stück weit Schreibkultur etabliert wird und nicht wichtige Kunden oder Kollegen ohne Anrede oder Abschluss aber dafür mit Smileys versehen unüberlegte Mails erhalten, die folgenreich sein können.
Und so ergeben sich die folgenden größten Gefahren im täglichen Umgang mit Mails aus meiner Sicht:
1.1 Wiederholte, ungeplante Unterbrechung des Tagesablaufs durch eintreffende Mails und ihre „Sichtung“ (von Bearbeitung möchte ich schon gar nicht sprechen).
Wir versuchen produktiv zu sein und uns von so wenig Einflüssen wie möglich im alltäglichen Tagesablauf unterbrechen zu lassen. Gleichzeitig scheint es normal zu sein, dass parallel immer das Mail-Programm oder die mobile Mail-App geöffnet ist und eingehende Mails umgehend zur Kenntnis genommen oder gar sofort gelesen bzw. beantwortet werden. Um sicher zu gehen, dass keine Mails verloren gehen, werden die Mail-Accounts sogar mit Klingelton, blinkenden Signalen und Kurzansichten auf dem Desktop oder dem Smartphone-Display versehen. In meinem Verständnis macht das keinen Sinn. Ich habe ja auch kein Glöckchen an meinem Briefkasten, welches zu klingeln beginnt, wenn der Postbote einen Brief einwirft.
1.2 Unproduktiver Umgang durch „Stöbern“ im Mailpostfach ohne konkrete Strategie.
Durch das wiederholte Stöbern im Mailpostfach sehen wir uns Mails im schlechtesten Fall immer wieder und wieder an. Produktives Ergebnis: null. Zeitaufwand: brutal. Und ich bin mir sicher, dass uns viele Dinge einfallen, die wir mit unserer Zeit hätten besser tun können. Der größte Unsinn ist es, eine als „wichtig“ angesehene Mail in solchen Momenten wieder als „ungelesen“ zu markieren und eine Stunde später beim nächsten „Stöbern“ genau dieselbe Mail wieder aufzurufen und zu erkennten, dass sie wichtig sei, um sie -natürlich- anschließend im Posteingang wieder als ungelesen zu markieren, weil man sie später ja noch bearbeiten möchte… „und täglich grüßt das Murmeltier“.
1.3 Fehler im Verständnis von Mailinhalten.
Differenzierte Texte erfasst man häufig nicht in all seinen Facetten durch einmaliges Überfliegen des Textes. So ist es sicherlich schon mehr als einmal vorgekommen, dass aufgrund unkonzentrierten Lesens Inhalte missverstanden wurden und -abgesehen von der fehlerhaften Beantwortung- negative Konsequenzen nach sich zogen.
Natürlich birgt auch die undifferenzierte oder gar vollkommen fehlerhafte Beantwortung von Mails „zwischen Tür und Angel“ Gefahren in sich. Durch das halbherzige Formulieren von Mails können schnell inhaltliche Fehler entstehen, die nur schwer wieder gut zu machen sind. Das gilt nicht nur beruflich, sondern ganz sicher auch privat.
- Mein Konzept im Umgang mit Mails
Um diesen Gefahren, denen ich vollends verfallen war, entgegenzuwirken und in meinem Alltag auch mit und trotz Mails produktiv zu sein, habe ich -durch viel Mühe, Schmerz und andere hässliche Attribute- einen eigenen Umgang mit meinen Mails etabliert. Und, was soll ich sagen, heute bin ich unglaublich glücklich darüber, dass ich mir meine Mail-Strategie bewusst gemacht- und schließlich wie folgt geändert habe:
2.1 Ich gehe verbindlich 2 Mal am Tag zum „Briefkasten“
Natürlich schau auch ich mal in den Briefkasten, wenn ich wirklich Zeit habe und ohnehin „daran vorbei laufe“. Und natürlich halte ich es auch so mit meinem Mail-Account, …wenn ich wirklich Zeit habe und ohnehin nur einen Klick davon entfernt bin. Aber diese Zeit ist dann nicht nur so kalkuliert, dass ich Mails überfliegen kann, sondern eben so, dass ich sie lesen, bearbeiten, zuteilen und nach meinem Konzept beantworten kann.
Von diesen immer seltener werdenden „Intermezzos“ abgesehen, rufe ich in meinem Arbeitsalltag 2x täglich meine Mails ab. Das erste mal am Vormittag. Hierfür habe ich keine feste Zeit, sondern die Regel, dass ich die Mails zunächst dann abrufe, wenn die gesetzten Aufgaben für diesen Vormittag erledigt sind. Nicht vorher. Dadurch stelle ich sicher, dass vor Eintreffen neuer Aufgaben via Mail bereits die ersten großen Tagesthemen erledigt sind und ich nicht von meinen Tageszielen abgelenkt werde. Dieses Vorgehen passt deshalb auch so gut ins Konzept, weil ich die größten (wichtigsten und häufig unangenehmsten) Themen des Tages ganz nach vorn in meiner Aufgabenlisten platziere.
Das zweite mal am Tag rufe ich meine Mails ab, wenn dann die Aufgaben für den Nachmittag erledigt sind und ich in meine „Abschlussroutine“ komme.
2.2 Zero-Posteingang
Wenn ich am Abend die Klinik verlasse, sind keine Mails in meinem Postfach. Weder beruflich, noch privat. Es werden keine Mails durchstöbert und wieder auf „ungelesen“ markiert oder ähnliches, sondern das Mail-Postfach ist LEER! Es ist mir unfassbar wichtig für mein Seelenheil, meine Konzentration, meinen Fokus, meine Produktivität, dass dieser Punkt Abend für Abend eingehalten wird. Und wie ich das genau mache, erkläre ich Euch in den nächsten Punkten.
2.3 Bitte keine Werbung einwerfen
Diese Zettel auf Briefkästen kennst du genau. Ich habe einen solchen Zettel auf meinen Mail-Account geklebt. Bei Anmeldungen in verschiedenen Anbietern achte ich von Beginn an akribisch darauf, dass ich eben NICHT KOSTENLOSE ANGEBOTE UND INFORMATIONEN erhalten will, die mich in meinem Alltag höchstens ablenken und mir Zeit stehlen. Ich bin mir ganz sicher: wenn ich etwas möchte, dann komme ich gern selbständig auf denjenigen zu. Mails zwecks „Inspiration“ halte ich für Unsinn.
Wenn mich dennoch solche Mails erreichen, gehe ich bei erstem Kontakt konsequent zu „unsubscribe“ bzw. zu „von diesem Newsletter abmelden“ und löse das Problem. Sofort. Zeitaufwand: keine zwei Minuten. Ergebnis: unfassbar gut.
2.4 Keine Anzeige in meiner Mail-APP, das Mailprogramm bleibt ungeöffnet
Um mich nicht ablenken zu lassen, habe ich die spektakulären Anzeigen in meinem iPhone und meinem iPad abgestellt. Während viele Menschen sich darüber freuen, dass die weiße Zahl im roten Punkt auf dem App-Symbol stetig steigt, sehe ich nicht, ob Mails eingegangen sind oder nicht. Es gibt keine Anzeige, keinen Ton und keine Vorschau auf dem Display. Und warum? Weil es nicht wichtig ist. Denn ich bestimmt meinen Tagesablauf…nicht die Zahl in meiner App. Aus dem gleichen Grund bleibt mein Mail-Programm am Computer in der Klinik auch geschlossen, bis ich mich aktiv und bewusst um meine Mails kümmern möchte. Aufblitzende Outlook-Nachrichten stören meine Produktivität und helfen tatsächlich keinem. Und, du erinnerst dich, wenn es dringend ist, dann klingelt ohnehin mein Telefon…und das ohnehin gefühlt 1000 mal am Tag.
2.5 Ich gehe bewusst mit meinen Mails um
Viele verzichten auf das Abmelden von Newslettern, weil sie sich einbilden, sie hätten hierfür keine Zeit. Stimmt in den Momenten wohl auch, weil Mails nunmal nur allzu häufig abgerufen werden, wenn gar keine Zeit besteht, um diese auch tatsächlich bewusst zu bearbeiten.
Wenn man sich gezielt hinsetzt und sich bewusst macht, dass man Mails nicht einfach nur liest, sondern diese bearbeitet, dann ist in diesem Prozess auch ganz sicher genug Zeit, um sich von einem Newsletter abzumelden. Aber es gibt in der Bearbeitung weit mehr als das. Mails werden im bewussten Arbeiten nur einmalig angefasst. Dann gibt es verschiedene Möglichkeiten. Es gibt Mails, die schneller beantwortet werden können, als sie einer Tagesaufgabe oder einem Projekt zuzuordnen. In diesem Falle erfolgt die Beantwortung sofort. Ist dies nicht der Fall, stellt sich die Frage, ob es sich hierbei um eine eigenständige Aufgabe oder um die Zuordnung zu einem Projekt handelt. Der Antwort auf diese Frage entsprechend, führe ich die Mail einer Aufgabe oder einem Projekt zu und beantworte den Inhalt schließlich dann, wenn es ohnehin in meinem Tagesablauf an der Tagesordnung ist. So oder so fliegt die Mail somit (zugeordnet) aus meinem Postfach. In speziellen Fällen gilt es, die Mail zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder vorliegen zu haben. Die löse ich durch eine automatisierte „Wiedervorlage“, die im aus meiner Sicht besten Mailprogramm der Welt kein Problem ist. Ein „KLICK“ auf die Uhr und die Definition, wann die Mail wieder ungelesen in meinem Postfach erscheinen soll, um in meinen Tagesablauf, die Aufgabe oder das Projekt zu passen und „ZACK“ ist sie aus meinem Postfach verschwunden und taucht auch erst zum genannten Zeitpunkt als ungelesene Mail in meinem Account wieder auf. Weltklasse.
2.6 Keine Unterordner und Archivierung im Mailprogramm
Mails werden entweder gleich beantwortet oder einer Aufgabe bzw. einem Projekt zugeteilt. Hierbei verzichte ich konsequent auf die Nutzung meines Mailprogramms als Archivsystem. Dadurch stelle ich sicher, dass ich nicht das Mailprogramm öffnen und darin arbeiten muss, obwohl der Zeitpunkt für das Abrufen von Mails noch nicht gekommen ist. Dies würde mich zu sehr vom Wesentlichen ablenken und auch strategisch keinen Sinn, denn wie bereits in den Blogs 10 und 15 beschrieben, verfolge ich die Philosophie, dass sich alles an einem Platz befindet und ich mir nicht ständig die Frage stellen muss, wo die jetzt benötigte Information archiviert wurde.
2.7 Spark
Ja, so heißt mein kleines Helferlein auf iPad und iPhone. Ein wundervolles Mailprogramm, das ich nur jedem ans Herz legen kann. Und ich werde für diese Aussage nicht einmal bezahlt. Schade eigentlich. Wenn dich diese App näher interessiert und du vielleicht einen eigenen Blog hierzu lesen möchtest, dann kontaktiere mich doch gern via Twitter oder Mail. Dann schreibe ich hierzu gern ein eigenes Review und publiziere es in einem meiner kommenden Blogs.
2.8 Irgendwann war halt ZERO
Nun fragst du dich sicher, wie ich mit dieser Art des Umgang beginnen konnte, wenn ich zuvor keine „Zero-Posteingang“-Strategie hatte. Ich höre heute noch Menschen in meiner Umgebung, die von tausenden von ungelesenen Mails in ihrem Postfach sprechen und kann hier noch nicht einmal sagen, ob man sich hierüber ärgert oder sogar ein bisschen stolz zu sein scheint, weil man seine Wichtigkeit anhand der ungelesenen Mails im Postfach zu messen scheint. Ich kann nur sagen, dass ein Postfach mit über 2000 ungelesenen Mails einfach nur grober Unfug ist. Niemals werden diese Mails mit der entsprechenden Aufmerksamkeit gelesen. Also war damals auch meine logische Konsequenz einen Schnitt zu machen und mich von ungelesenen Mails ohne Bearbeitung zu treffen. Ich nahm mir einen langen Tag Zeit und habe es mir zur Aufgabe gemacht, beginnend mit den neuesten Mails, Nachricht für Nachricht durchzugehen. Von diesem Moment an habe ich mein Gesamtkonzept geltend gemacht. Newsletter wurden abbestellt, kurze Mails wurden bearbeitet und beantwortet, größere Mails als Aufgaben definiert und terminiert und Mails zu verschiedenen Projekten habe ich eben diesen Projekten zugefügt. Fertig. Alle Mails, die ich innerhalb dieses einen langen Tages nicht bearbeiten konnte, habe ich kategorisch gelöscht. Und weißt du, was passiert ist? NIX! GAR NIX! NIENTE, NADA, NIX NIX NIX!
Und so begann sie. Mein eigene kleine Mail-Philosophie mit ZERO-POSTEINGANG. Und es ist wunderbar.
Was soll ich dir abschließend zu diesem Blog sagen? Auch im Umgang mit Mails ist es so, wie ich es in meinem allerersten Blog (BLOG 1) beschrieben habe. Es beginnt damit, dass ich mir meinen Schritten im Umgang mit Mails bewusst bin. Und dieser bewusste Einsatz meiner Arbeitsweise hat unglaublich viel zu meiner alltäglichen Produktivität beigetragen und ich kann dich nur dazu einladen, es ähnlich oder gar gleich zu tun.
Zwei Bücher zum Thema Produktivität möchte ich dir ans Herz legen:
Beide Bücher können auf ihre Art Grundsätze produktiven Handelns auf den Punkt bringen und mir dabei geholfen, meinen eigenen Weg zu finden.
Wenn du Fragen oder Anmerkungen zu diesem Blog hast, dann kontaktiere mich doch gerne via Twitter oder schreib mir einfach eine Mail.
Bis dahin,
Sebastian.
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