Beatmung findet sich oft nur in Büchern „mit sieben Siegeln“. Dies beruht aus meiner Sicht meist darauf, dass sich Autor:innen oft durch irgendwelchen Schnickschnack (ja, ich habe Schnickschnack geschrieben) in Details verlieren und den Lesenden somit das Leben unnötig schwer machen. Eigentlich schade. Dabei ist es gar nicht so schwer, die wesentlichen Grundlagen zu verstehen und unsere Patient:innen zumindest so lang am Leben zu erhalten, bis sie (meinetwegen) an „Beatmungs-Profis“ übergeben werden.
Wenn man mich fragt, welche Kurve mir persönlich im Beatmungsgerät am Wichtigsten ist, dann nenne ich oft die Flow-Kurve. Ja, es gibt harte Konkurrenten (z.B. die CO2-Kurve), aber dennoch entscheide ich mich meist nicht zuletzt aus didaktischen Gründen für den Flow.
Die Flow-Kurve zeigt den Atemfluss in der Inspiration (Einatmung) und in der Expiration (Ausatmung) sowie in der Phase zwischen diesen beiden. Man sieht also angezeigt, mit welcher Geschwindigkeit die Luft bei der Inspiration in die Patient:innen hinein fließt und mit welcher Geschwindigkeit die Atemluft in der Exspiration aus den Patient:innen hinaus fließt. Da zwischen diesen beiden Phasen keine kurze „Atempause“ herrschen kann, sieht man bestenfalls in diesem Moment keinen Fluss; also ist die „Kurve“ ein gerader Strich auf der Nullinie.
Und warum ist mir diese Anzeige so wichtig? Weil man bestenfalls das Beatmungsgerät so einstellt, dass Patient:innen „in Ruhe“ Ein- und bitte auch vollständig wieder ausatmen können. Die Einatmung „in Ruhe“ und mit „ausreichend Zeit“ ist deshalb so wichtig, weil in dieser Phase der eigentliche Gasaustausch stattfindet. Das heißt, dass in dieser Phase Sauerstoff (O2) von der Lunge an das Blut abgegeben wird und Kohlendioxid (CO2) aus dem Blut in die Lunge gelangt. Verkürzen wir diese Zeit während der künstlichen Beatmung, ist aufgrund „zu wenig Zeit“ dieser Gasaustausch nicht so schick. Die anschließende Exspiration zeitlich schön zu gestalten ist deshalb so wichtig, weil das in die Lunge transportierte CO2 nun auch über die Atemwege ausgeatmet werden muss. Da die Ausatmung ein „passiver Prozess“ ist und nicht durch Beatmungsgeräte forciert wird, ist diese benötigte Zeit für die Ausatmung ausgesprochen individuell von unseren Patient:innen und verschiedenen Einflussfaktoren abhängig. Das schöne ist: unabhängig von diesen Einflussfaktoren sehen wir in der Flow-Kurve meist wunderbar, ob die komplette Ausatmung gelungen ist oder nicht.
Geben wir unseren Patient:innen zuviel Zeit für die Ausatmung und lassen damit zu, dass ein gewisser Zeitraum in „Atemruhestellung ohne Atemfluss“ ist, dann akzeptieren wir den „Luxus“, dass weder ein Gasaustausch (wie in der Inspiration) stattfindet, noch dass CO2 (wie in der Ausatemphase) abgeatmet wird. Quasi „verschenkte Zeit“. Bei Patient:innen ohne Beeinträchtigung der Lunge ist das oft auch gar kein Problem und vollkommen in Ordnung. Bei Patient:innen mit beeinträchtigter Lunge (durch verschiedene chronische oder auch akute Erkrankungen), kann dies allerdings tatsächlich eine „Verschwendung“ sein und sollte in solchen Fällen konsequent vermieden werden. In diesem Fall würde man also dafür Sorge tragen, dass sofort dann eine Einatmung erfolgt, sobald die zuvor stattgehabte Ausatmung VOLLSTÄNDIG stattgefunden hat. Und hier darf man es sich nicht verscherzen, denn:
wenn man die Einatmungsphase zu früh beginnen lässt, also bevor eine komplette Ausatmung erfolgen konnte, dann fängt man ein bisschen „Rest-Ausatemluft“ in der Lunge ein (sog. „Air-Trapping“). Die addiert sich dann von Atemzug zu Atemzug und die eingefangene Luftmenge wird mehr und mehr. Diese Luft nimmt dann den wichtigen Platz für „neue Luft“ ein. Wir haben also weniger „Pendelvolumen“ zwischen Ein- und Ausatemluft und der Gasaustausch wird dadurch zwangsläufig schlechter; also weniger O2-Aufnahme und weniger CO2-Abgabe sind die Folge.
Da das Beatmungsgerät jedoch mit jedem neuen Atemzug versuchen wird, die eingestellten Luftmengen (unter vorgegebenen Beatmungsdrücken) in unsere Patient:innen zu pressen, wird es unweigerlich mit der Zeit zu sehr hohen Druckverhältnissen in unseren Patient:innen und/oder zu sehr keinen Atemzügen kommen…denn da ist schlichtweg mit der Zeit aufgrund des hohen Volumens „eingefangener Luft“ kein Platz mehr.
Das charmante ist: Wenn man die Flow-Kurve im Beatmungsgerät einstellt und sich nur ein klein wenig damit auskennt, dann kann sehr leicht sehen, dass die Einatmung zu früh beginnt und Ausatemluft in den Lungen „eingefangen wird“. Und deshalb steh ich auf die Flow-Kurve.
So. Das war ein spontaner Exkurs zum Thema „Flowkurve“ -inspiriert durch das letzte „Whiteboard-Teaching“ in der #ZNAAKW.
Ich hoffe, es hat dir weitergeholfen?
Wenn du Fragen oder Anmerkungen hast, dass hinterlasse gern ein paar Zeilen in den Kommentaren.
Bis dahin,
Sebastian
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