Tja, und weil ich mich heute auf einem Kongress befinde und zuhören darf und nicht sprechen muss, ist mal wieder ein neuer Blog zum Thema Vortrag und Präsentation angebracht.
Es gibt tatsächlich so eine Art “Evergreen Fails“ des deutschen Vortragschlagers, die keiner mehr hören kann und die mich immer und immer wieder zur Weißglut treiben. Hiervon möchte ich heute 10 zum Besten geben, wobei hier kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht und die Reihenfolge eher zufällig als in spezieller Reihenfolge gestaltet ist:
- „Das können Sie jetzt nicht lesen, aber…“
Du kennst die Situation genau: es wird eine Folie an die Wand geworfen, gern prall mit Worten in Arial (Schriftgröße 9) gefüllt, und das Publikum ist allein vom Anblick der Folie förmlich erschlagen. Und während sich das freundliche Publikum mit den unleserlichen Ausdünstungen auf der Folie auseinandersetzt (während das unfreundliche Publikum fassungslos die Köpfe senkt, um entweder einzuschlafen oder die letzten Nachrichten auf ihrem Smartphone zu checken), kommt der alles umfassende Satz des Unfugs: „Das können Sie jetzt nicht lesen, aber…“.
In solchen Momenten stelle ich mir immer die Frage, weshalb man Zeit für die Vorbereitung und wertvolle Redezeit investiert, wenn das Publikum keine Chance hat, etwas darauf zu entziffern? Noch schlimmer ist es manchmal, wenn eine unleserliche Tabelle unbearbeitet kopiert und in die Folie eingefügt wird. Damit demonstrieren Vortragende ganz offen, dass das Publikum nicht die Mühe verdient hat, die Kernpunkt der Tabelle gesondert herauszustellen und ein Slide dafür zu gestalten. Aber für wen ist denn dann die Folie gemacht? Für das Publikum? Für die Vortragenden? Ich weiß nicht…und nein, ich reg‘ mich nicht auf. Wir sind ja auch erst bei Punkt 1. Ich schlage vor, wir lassen alle gemeinsam solche Folien zukünftig einfach weg und ich verspreche, dass es keinem auffallen wird.
- „Nächste Folie, ja das wissen Sie alles schon“
Wenn Vortragende eine Folie an die Wand werfen, gern auch mehrere innerhalb eines Vortrags, und das neue Slide grundsätzlich mit den Worten „das kennen Sie alles schon“ eingeführt wird, kommen auch schon wieder Fragen auf: wenn du dir sicher bist, dass dein Publikum dass bereits alles kennt, weshalb investierst du dann in eine Folie und langweilst mich?
Ein weit verbreiteter Irrtum und mögliche Antwort auf meine Frage ist, dass Vortragende durch diese Aussage das Publikum aufwerten würden. Ganz nach dem Motto: „ich zeige euch etwas kompliziertes, aber wenn ich behaupte, dass ihr das schon alles kennt, dann hört ihr auch besonders gut zu und fühlt euch gebauchpinselt“. Leider nein. Vielmehr schalten Zuhörende automatisch ab. Um diesem Drama zu entgehen, versuche ich bei der Folienvorbereitung (siehe Blog 2 und Blog 5 ) nur solche Slides einzubeziehen, die tatsächlich neue Informationen für das Publikum bieten. Das spart Zeit, Nerven und hält mein Publikum hoffentlich bei Laune.
- „Das müssen sie sich jetzt nicht alles merken“
Sehr gern in Verbindung mit deutlich überfüllten Folien hört man den Satz: das müssen Sie sich jetzt nicht alles merken. Wann muss ich es mir denn dann merken, wenn nicht jetzt? Und wenn ich es mir gar nicht merken muss, warum hat es dann im Vortrag einen solchen Stellenwert, dass es sogar Platz auf einer Folie frisst? Ich halte diesen Satz für einen Publikumskiller. Niemand möchte sich Dinge im Vortrag anhören, von denen bereits zu Beginn behauptet wird, dass man es sich nicht behalten müsse oder gar unwichtig sei.
- Es ist nicht möglich, Ihnen jetzt das Thema… in der Zeit näher zu bringen
Ja, bin ich denn nun als Zuhörer zu blöd, den komplexen Inhalten zu folgen oder sind die Vortragenden nicht in der Lage es richtig zu erklären? Eine reflexhafte Frage, die in mir aufkommt, wenn ich diesen Satz in der Einleitung eines Vortrags höre.
Wenn ich selbst als Speaker den Eindruck habe, dass man mir ein Thema als Auftrag gegeben hat, welches in den zugeteilten 20 Minuten aufgrund der Komplexität oder auch einfach aufgrund der Größe es Themas nicht vollumfassend präsentiert werden kann, dann stelle ich dies positiv heraus: „dieses Thema ist so umfassend (und natürlich spannend), dass ich mich hier in diesem Vortrag gemeinsam mit Ihnen auf drei wesentliche Kernpunkte fokussieren werde…“. Solch ein Satz klingt aus meiner Sicht deutlich positiver und wenn es mir jetzt noch gelingt, diese Einleitung mit einer gewissen Leidenschaft zu transportieren, dann sind alle mit im Boot! Im übrigen ist dies nicht nur von Vorteil für das Publikum, sondern insbesondere auch für mich als Redner, denn ich habe somit bereits in meinen Vorbereitungen das Thema sondiert, die Kernaussagen und den roten Faden klar gemacht, ohne mich in der Fülle des großen Themas zu verlieren. Läuft!
- „Leider hatte ich nicht genug Zeit, mich hierauf vorzubereiten…“
Sorry, geht gar nicht. Und wenn es so ist, dann behalte ich es für mich. Dieser Satz impliziert meinem Publikum sofort, dass es für mich nicht wichtig genug war, um die Prioritäten “richtig“ zu setzen. Für jeden Vortrag gilt: ich mache das beste daraus und werde solche Eingangsphrasen einfach lassen, einfach lassen und nochmals einfach lassen.
- „Ähhh ich wusste ja, dass es schwierig wird nach Herrn/Frau XY zu sprechen, aber nach diesem tollen Vortrag…“
Was ist nach diesem tollen Vortrag? Packst du ein und gehst? Oder ist dein Vortrag automatisch schlecht? Oder das Publikum wird nun für 20 Minuten gelangweilt und kann abschalten? Was ist los? Wo ist dein Ehrgeiz, deine Leidenschaft? Gib Gas! Wo ist dein gut vorbereiteter und so unglaublich wichtiger Einstieg in deine unfassbar gute Präsentation? Wenn du hier noch Tipps und Tricks haben möchtest, dann schau doch mal in BLOG 7 und BLOG 9! Da habe ich einiges für dich zusammengefasst.
Ich habe schmerzliche Erfahrungen gesammelt, wenn ich selbst nach ausgezeichneten Vortragenden der nächste in einer Veranstaltung war. Dennoch ist vollkommen klar, dass ein zuvor gut präsentierter Vortrag die Inhalte meines Themas und meiner Mühen nicht schmälern kann. Im Gegenteil. Sehr gern gehe ich auf die vorangegangenen Vorträge ein und versuche diese, zu meinem Vorteil zu nutzen, denn die Stimmung ist in solchen Momenten meist wirklich großartig und das kann für mich nur hilfreich sein. Also: mach dein Ding und nutze die Chance des guten vorangegangenen Vortrags zu deinem Vorteil ohne dich selbst klein zu machen.
- „Ich mag das Thema nicht so gern“
Ok. Kann ich verstehen. Dann setz dich doch jetzt bitte wieder hin und lass den nächsten dran. Und um das nächste Mal deine Zeit und die des Publikums zu schonen, lehne das Thema als Vortragende/r ab und kenne deine Grenzen. Für mich persönlich ist es häufig auch für Themen, die mir nicht gut liegen, eine große Herausforderung einfach Vortragsanfragen abzulehnen. Ich nehme lieber die Herausforderung an. Aber eines ist klar: wenn ich zusage und vor dem Publikum stehe, dann ist das Thema in genau diesem Moment mein Thema, denn ich habe es zu meinem gemacht. Und alles andere hat mein Publikum ganz sicher nicht verdient.
- Mein Thema ist heute leider nicht so spannend…
Du weißt, worauf ich hinaus will, oder? Dieser Satz gehört ganz sicher in keinen Vortrag und gehört ebenfalls zu den Publikumskillern Nummer 1. Ich kann und will bis heute nicht verstehen, wieso ein Thema nicht so spannend sein kann, wenn ich meinen Vortrag unfassbar gut vorbereitet habe, dieser auf mein Publikum zugeschnittenen ist und mit Humor, rotem Faden und großartigem Fazit präsentiert wird. Genaus dieses Prinzip sollte immer die Grundeinstellung sein. Aber Vorsicht: es geht mir hier um die Vermittlung der Inhalte mit Leidenschaft und Spaß und ganz sicher nicht um das Auftreten mit einer gewissen Arroganz, die unser Publikum sofort spürt und abstraft.
- Diese Folie ist spannend, ich lese mal vor.
Albtraum. Grundsätzlich stelle ich Folien in Frage, die man tatsächlich (über mehrere Sätze hinweg) vorlesen kann. Ganz sicher ist es so, dass gut platzierte Zitate immer einen Platz im Vortrag haben. Ich liebe Zitate. Diese sollten jedoch so vorbereitet sein, dass ich frei rezitieren kann und eben nicht ablesen muss. Wenn das Zitat aus einem oder auch zwei Sätzen besteht, hat es sicherlich unter Abwägung aller Güter einen Stellenwert auf einer Folie. Aber bitte nicht mehr Sätze und erst recht nicht mehr Folien. Und glaube mir: niemand möchte leise mitlesen, während Vortragende laut vorlesen.
- Hier die Abbildung ist jetzt zu kompliziert.
Und warum genau ist sie auf der Folie? Da weiß ich doch jetzt gar nicht, was ich dazu noch sagen soll.
Mein Fazit:
Grundsätzlich sollten Phrasen in einem Vortrag kategorisch vermieden werden. Zuhörende sind an Ausreden und Standardfloskeln seit den 50er Jahren nicht mehr interessiert und insbesondere wenn man zu Beginn eines Vortrags so ins Rennen geht, wird man sein Publikum verlieren.
Ich bin der festen Überzeugung, dass jedes Thema sexy sein kann. Man muss es eben zu seinem machen. Wie das geht, erkläre ich in einem der folgenden Blogs zum Thema „Vortag und Präsentation“. Ich empfehlender hierzu meine bisherigen Blogs aus der Kategorie Vortrag und Präsentation.
Leider sind diese 10 Phrasen alles andere als ein Einzelfallbeispiel. Sicherlich kennst du auch noch so einiges, was dazu passen würde, oder? Wenn du hierzu Ergänzungen, Kommentare oder auch Fragen hast, dann freue ich mich über deine Nachricht via Twitter oder Mail.
Bis dahin,
Sebastian.
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